Neulich an der Kasse eines Grossverteilers. Vor mir eine
Dame im Rentenalter, die offenbar gerade ihren Montagvormittagseinkauf
erledigt. Oder eher ihren Montagmittagseinkauf, schliesslich ist es kurz vor
halb eins. Hinter mir ein Mann im erwerbstätigen Alter, der nur ein Getränk und
ein Sandwich auf das Band legt.
Die Kassiererin scannt die Artikel der älteren Dame, eines
ums andere, mit Bewegungen, welche irgendwie mechanisch wirken. Zwieback, ein
Frühstücksmüesli, Lippenstift …? Mein Blick wandert automatisch zum Mund der
Dame. Hm, muss für ihre Tochter sein…
Die Kassiererin nimmt den letzten Artikel in die Hand. Doch der
Scanner erfasst das Ding nicht. Offenbar wurde die Etikette mit dem Barcode auf
diesem Hinterschinken – beziehungsweise auf seiner Verpackung – nicht sorgfältig
genug aufgeklebt. Sie nimmt den Handscanner und lässt das rote Licht aus den
unterschiedlichsten Winkeln auf den Barcode fallen. Kein Erfolg; auch nicht,
nachdem sie energisch über das Etikett gerieben hat.
Obwohl ich hinten keine Augen habe, spüre ich förmlich, wie
der Typ hinter mir auf die Uhr schaut. Es ist naheliegend, dass er einfach
möglichst schnell sein Sandwich verdrücken und dann wieder zu seiner stressigen
Arbeit will. Inzwischen hat die Kassiererin den Code manuell eingetippt und
verkündet die Summe, gefolgt von der Frage: „Heit ehr no en Supercard?“
Die Rentnerin nickt und macht sich in ihrem Portemonnaie auf
die Suche nach besagter Karte. Mein Gott, weshalb beherbergt das Portemonnaie
einer Dame dieser Altersklasse einen derartigen Kärtchenwald? Die Suche zieht
sich in die Länge, während ein leises Trommeln an mein Ohr dringt. Ich blicke
kurz über meine Schulter. Der Mann hinter mir trommelt mit den Fingerspitzen
auf das Band. Nervosität liegt in der Luft.
Endlich findet die Dame ihre Supercard, zwischen der Visitenkarte
ihrer Spitex-Betreuerin und der Kundenkarte eines anderen Grossverteilers. Die Karte
wechselt in die Hand der Kassiererin, wird gescannt und wandert wieder zur
Kundin zurück, welche sie äusserst sorgfältig verstaut, um sie nächstes Mal
schneller wieder zu finden. Dann ergreift sie eine Hunderternote und übergibt
sie der Kassiererin, um gleichzeitig zu verkünden: „Fünfunddreissig Rappen habe
ich noch!“
Sie öffnet das Münzfach ihres Portemonnaies und dreht und
wendet das Ding, offenbar, um ein wenig mehr Licht zu erhaschen. „Ach, ich sehe
einfach nicht mehr gut!“, jammert sie und kurzerhand leert sie den gesamten
Inhalt des Münzfaches auf den Tresen. Gleichzeitig höre ich hinter mir einen
langgezogenen Seufzer, dann spüre ich warmen, nicht gerade geruchsneutralen
Atem in meinem Nacken.
Ein Einfränkler fällt herunter, kullert über den Boden und
bleibt vor meinen Füssen liegen. Ich habe ihn auf und halte ihn der alten Dame
hin. „Der ist Ihnen runtergefallen.“ Die Kassiererin hat inzwischen 35 Rappen
aus dem Münzhaufen entnommen und bittet die Kundin, den Rest wieder
einzupacken. Kurz darauf reicht sie ihr das Retourgeld zusammen mit der
Kassenquittung.
Doch wer glaubt, dass das Einkaufserlebnis der Rentnerin
damit zu einem Ende gekommen ist, sieht sich mit anderen Tatsachen
konfrontiert. Erneut höre ich die Stimme der Kassiererin: „Sammlet ehr
Märggeli?“, vorgetragen in einer Langsamkeit, wie es nur eine Bernerin
hinkriegen kann. Und ja, natürlich sammelt die Kundin Märggeli, schliesslich
sind wir ja ein Volk von Jäger und Sammlern. Langsam zählt die Kassiererin die
Märggeli ab, reisst einige von der Rolle und übergibt sie der Kundin, um sich
dann von ihr zu verabschieden und ihr einen schönen Tag zu wünschen, ohne ihr
Gesprächstempo auch nur im geringsten zu steigern.
Kommt ihnen das bekannt vor? An der Supermarktkasse kommen
eben die unterschiedlichsten Leute zusammen: der Achtjährige, der nur seinen
Kaugummi kaufen will und die paar Zehnräppler schon auf den Tresen legt, lange
bevor der Artikel gescannt ist. Die Oma, die für ihren täglichen
Haushaltseinkauf alle Zeit der Welt hat und der gestresste Erwerbstätige, der
selbst in der Mittagspause noch vom Stress verfolgt wird. Da ist wahrlich
Toleranz gefragt. Vielleicht könnte man ja auch für einmal auf das Scannen der
Supercard verzichten, wenn man sie nicht auf Anhieb findet, denn die paar
Punkte, welche einem da durch die Lappen gehen, sollten eigentlich niemandem
schlaflose Nächte bereiten. Und vielleicht könnte man den Stress ja auch einmal
im Büro oder auf der Baustelle lassen? Wenn das nächste Mal Ihr
Geschäftstelefon klingelt, lassen Sie es doch einfach einmal länger klingeln. Schliessen
Sie kurz Ihre Augen und atmen Sie ganz tief durch. Falls das Telefon danach
immer noch klingelt, können Sie den Anruf immer noch entgegen nehmen. Probieren
Sie es aus! Es wirkt Wunder!
Und an der Supermarktkasse wünsche ich Ihnen viel Toleranz!
Und genauso viel Geduld!
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